Jahrelanges Zusammenleben und langwierige Scheidung kann Versorgungsehe ausschließen

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 30.05.2012
Az.: S 11 R 5359/08

Zum Sachverhalt:
Vor dem Sozialgericht Berlin stritten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Witwenrente hat, obwohl ihre Ehe mit dem verstorbenen Versicherten nur ein paar Tage und damit weniger als ein Jahr dauerte.

Die Klägerin ist seit 2000 mit dem Verstorbenen liiert gewesen. Seit 2003 lebten beide in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Da sich die Scheidung des Verstorben bis zum November 2006 hinzog und gleichzeitig im November 2006 eine Krebserkrankung beim Verstorbenen festgestellt wurde, heiratete die Klägerin den Verstorbenen erst am 06.08.2007. Nach dem Tod des Verstorbenen am 25.08.2007, mit dem weder die Klägerin noch der Verstorbene zum Zeitpunkt der Hochzeit rechneten, beantragte die Klägerin im September 2007 die Auszahlung einer Witwenrente.

Die Beklagte, die Deutsche Rentenversicherung verwehrte die Rentenzahlung mit dem Argument, bei der Ehe habe es sich nur um eine Versorgungsehe gehandelt, da laut medizinischen Unterlagen der Todesfall bei Heirat vorhersehbar war.

Das Berliner Kammergericht hat hier im Sinne der Klägerin entschieden. Der Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der Witwenrente ist in § 46 Abs. 2 SGB VI begründet. Eine Versorgungsehe, welche nach § 46 Abs. 2a den Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen hätte liegt hier nicht vor.

Die Kammer geht in ihrer Urteilfindung insbesondere darauf ein, dass bei der Prüfung, ob eine Versorgungsehe vorliegt, immer die Gesamtumstände des Einzelfalles betrachtet werden müssen. Dem Gesundheits- bzw. Krankenstand kommt dabei aber eine hohe Bedeutung zu.

Die hier beim Verstorbenen offenkundig lebensbedrohliche Krankheit ist an sich geeignet um eine Versorgungsehe anzunehmen. Gründe, die gegen eine solche Ehe sprechen, müssen in diesem Fall umso gewichtiger sein, je bedrohlicher die Krankheit ist.

Die Klägerin musste bei der vorliegenden Krebserkrankung zwar mit dem Tod des Partners rechnen, allerdings war in diesem Fall bedeutsam, dass beide schon seit längerem den Willen zur Eheschließung hatten und nur aufgrund der langwierigen Scheidung des Verstorbenen dieses Vorhaben aufschieben mussten. Bis zum Bekanntwerden der Rechtkraft lag hier also ein objektives Ehehindernis vor. Das beide nicht sofort im Mai 2007 heirateten war zudem aufgrund des Gesundheitszustandes des Verstorbenen nachzuvollziehen. Das Ehehindernis ist von der Kammer daher als Grund angesehen worden, dass die lebensbedrohliche Krankheit zurücktreten ließ. Zumal führte das Gericht aus, dass beide bereits seit 2003 zusammengelebt hatten, ein gegenseitiges Testament und Bankvollmachten sowie eine Patientenverfügung hatten und mit der Eheschließung letztlich das vollzogen wurde, was die Klägerin und der Verstorbene schon lange vorhatten.