Autowaschen als Arbeitsunfall?

Kann eine Verletzung während einer Autowäsche einen Arbeitsunfall darstellen?

Welche Handlungen und Verletzungen einen Arbeitsunfall darstellen und welche nicht, lässt sich so pauschalisiert nicht sagen. Die Grenzen sind beinahe fließend und es kommt meistens auf den Einzelfall an. Arbeitsunfälle beschäftigen sowohl die Arbeitsgerichte sowie die Sozialgerichtsbarkeit. Auf ein Urteil, welches einen weiteren Arbeitsunfall behandelt, geht der Blogbeitrag vom 30. Oktober 2013 ein.

Im vorliegenden Fall streiten sich Kläger und Beklagte um die Anerkennung eines Unfalls bei einer Autowäsche als Arbeitsunfall.

Der Kläger ist selbstständiger Unternehmer und hat eine Drogerie mit angeschlossener Lotto-Filiale und medizinischer Fußpflegepraxis. Im Bereich der Fußpflege führt er auch Hausbesuche bei Kunden durch. Der Kläger hat seine unternehmerische Tätigkeit bei der Beklagten gemäß § 6 Abs. I, Nr. 1 SGB VII versichert.

Am 8. März 2011 fährt er von der Bezirkslottostelle zu seiner Drogerie und hält auf der Strecke bei einer Tankstelle, um seinen Wagen zu tanken und anschließend zu waschen. Als er die Waschanlage verlässt rutscht er auf einer Eisplatte aus und zieht sich eine Unterschenkelfraktur zu.

Die Beklagte lehnt es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Beklagte stützt sich bei ihren Ausführungen im Wesentlichen auf drei Aspekte:

(1) Der vom Kläger genutzte PKW stelle kein Arbeitsgerät im Sinne des § 8 Abs. II, Nr. 5 SGB VII dar. Grund hierfür ist, dass nach eigenen Angaben des Klägers das betroffene Auto nicht überwiegend dienstlich genutzt wurde. (2) Es liegen keine betrieblich bedingten Gründe vor, weshalb eine Autowäsche in dem Moment notwendig gewesen sei und (3) der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass eine vorher nicht vorhergesehene Reinigung notwendig gewesen sei.

Der Kläger erhob hierauf Klage beim Sozialgericht Bayreuth. Das SG Bayreuth gab dem Kläger Recht und erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten beim LSG München.

Das LSG sieht in dem Unfall keine versicherte Tätigkeit und nimmt deshalb keinen Arbeitsunfall an.

Ein Arbeitsunfall liegt gemäß § 8 Abs. I, S. 1 SGB VII vor, wenn Versicherte während der Ausübung ihrer versicherten Tätigkeit einen Unfall erleiden. Erforderlich ist mithin ein innerer- und ein sachlicher Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der ausgeübten Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls. Es unterliegt der Wertung, ob diese Tätigkeit innerhalb der Grenze liegt, in der es sich um eine vom Versicherungsschutz gedeckte Tätigkeit handelt. Entscheidendes Kriterium bei dieser Beurteilung ist, ob der Versicherte eine Tätigkeit ausüben wollte, die dem Beschäftigungsunternehmen dient und ob dieser Handlungswille durch objektive Umstände bekräftigt wird.

Abzugrenzen ist von höchstpersönlichen Tätigkeiten. Diese sind in der Regel unversichert. Hierunter fallen zum Beispiel Essen und Trinken. Oder auch eigenwirtschaftliche, d.h. sie stehen nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und fallen unabhängig von dieser an. Hierunter fällt zum Beispiel Einkaufen. Diese Tätigkeiten sind dem privaten, unversicherten Bereich zuzuordnen.

Im vorliegenden Fall nutzte der Kläger das Fahrzeug überwiegend privat.

Das BSG geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass Tätigkeiten des privaten Lebens, die gleichzeitig eigenwirtschaftlichen Interessen des Versicherungsnehmers als auch betrieblichen Interessen dienen können (Essen, Ankleiden, Tanken des für den Arbeitsweg genutzten PKW), grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich des Versicherungsnehmers zuzuordnen sind. Diese Handlungen mögen zwar mittelbar der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis dienen, sie sind dennoch dem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Führt ein Versicherter eine Tätigkeit des privaten Lebensbereiches im zeitlichen Bereich einer versicherten Tätigkeit aus, so wird an der Zuordnung zum persönlichen Lebensbereich nichts geändert.

Im vorliegenden Fall beurteilt das Gericht die Autowäsche als Tätigkeit des persönlichen Lebensbereiches. Auch der Vortrag des Klägers, dass eine Reinigung aus Sicherheitsgründen notwendig gewesen wäre überzeugt das Gericht nicht. Mit gleicher Verschmutzung hatte er am selben Tag einen weiteren Termin wahrgenommen. Ferner liege kein sachlicher Zurechnungszusammenhang der Autoreinigung mit der versicherten beruflichen Tätigkeit vor.

Die Tätigkeit war auch nicht notwendig, um weitere betriebliche Arbeiten zu vollführen oder erst verrichten zu können. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte – bei Vorlage der nötigen Umstände – Versicherungsschutz vorliegen können.

Die Reinigung der Scheiben erfordert keine Komplett-Reinigung. Ferner hatte der Kläger schon in den Tagen zuvor darüber nachgedacht das Auto zu reinigen. Es lag also auch kein unvorhergesehenes Ereignis vor.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem PKW auch nicht um ein Arbeitsgerät, mithin liegt kein Versicherungsschutz gemäß § 8 Abs. II, Nr. 5 SGB VII vor.

(LSG München, Urt. V. 31.10.2013, Az.: L 17 U 180/12)