Die Kosten einer Therapie bei Lese- und Rechtschreibschwäche können auch vom Bildungspaket getragen werden

Sozialgericht Marburg, Beschluss vom 01.11.2012
Az.: 5 AS 213/12 ER

Die Parteien streiten um die Übernahme von Therapiekosten aufgrund einer Lese- und Rechtschreibschwäche.
Die 12-jährige Antragstellerin wird aufgrund einer Lese- und Rechtschreibschwäche seit der 1. Klasse durch ihre Schule gefördert und konnte dennoch nicht an das Leistungsniveau ihrer Klassenkameraden herankommen. Seit dem Jahre 2011 erhielt die Antragstellerin eine zusätzliche Therapie, deren Kosten aufgrund richterlichen Beschlusses vom Jobcenter bezahlt wurden. Eine weitere Zahlung lehnte das Jobcenter ab Juli 2012 ab, da es der Auffassung war,  eine dauerhafte Förderung sei nicht durch das Gesetz vorgesehen.

Das Gericht entschied zugunsten der Antragstellerin.
Zwar sei es grundsätzlich Aufgabe der Schule, den Schülern Lesen und Schreiben beizubringen und Schwächen durch schulische Förderungsmöglichkeiten zu beheben. Allerdings gilt dieser Grundsatz nur insoweit, wie die schulischen Förderungsmöglichkeiten ausreichen, um solche Schwächen wie im Falle der Antragstellerin zu beheben. Das Gericht hob in diesem Zusammenhang insbesondere hervor, dass sich unbehandelte Schwächen beim Lesen und Schreiben massiv auf das Bildungsniveau und in diesem Zusammenhang unmittelbar auf die späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt auswirken würden.
Die Ablehnung einer solchen Therapie sei zudem nur möglich, wenn die Antragstellerin über ihre Möglichkeiten hinaus hätte gefördert werden sollen. Die Antragstellerin ist jedoch überdurchschnittlich intelligent und wäre durch die Ablehnung der Therapiekosten an der Ausschöpfung ihres geistigen Potentials gehindert.
Da aufgrund der Lese- und Rechtschreibschwäche keine seelischen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen drohen, ist es dem Jobcenter auch nicht möglich, die Antragstellerin auf das Jugendamt zu verweisen. Vielmehr müsse das Jobcenter die Therapieleistungen aus dem Bildungspaket erbringen.